Tunnelmünder bei Geusselt an der Nordseite der Stadt mit dem oberirdischen „Grünen Läufer“ (Groene Loper) © Aron Nijs

Deutsche Zusammenfassung

Ansatz des Projekts A2 Maastricht

Anlass

Die Passage der Autobahn A2 durch die niederländische Stadt Maastricht war schon seit Jahren ein Problem der Stadt, Region und Verkehrsteilnehmer bis um das Jahr 2000 die Aussicht auf eine Lösung kam. Die Passage war aus mehreren Gründen problematisch. In der internationalen Autobahnverbindung zwischen Maastricht und Marseille und weiter war sie mit sechs Ampeln der einzige Ort, an dem sich der Verkehr täglich staute. Die Autobahn zog sich außerdem durch die Stadt, sodass der östliche Teil vom Rest der Stadt abgeschnitten war. Die A2-Passage stellte für die Anwohner in hohem Maße eine Beeinträchtigung der Lebensqualität, Gesundheit und (Verkehrs-) Sicherheit dar. Zudem wirkten sich die täglichen Staus bei Maastricht ungünstig auf das Ansiedlungsklima für Unternehmen in der Stadt und Umgebung aus. Für Maastricht und die umliegende Region stand daher bereits seit Jahrzehnten fest: die „Berliner Mauer“ musste weg. Eine Rund Unterführung erwies sich als bei weitem beste Lösung: Auf diese Weise konnte der Verkehr aus der Stadt verlagert und die wertvolle Landschaft um Maastricht geschont werden.

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Die A2-Passage teilte Maastricht ähnlich wie eine Art Berliner Mauer in zwei Teile © Archief Projectbureau A2 Maastricht

Gemeinsames Vorgehen

Aufgrund des gemeinsamen Interesses an der Lösung der Problematik in Hinsicht auf Lebensqualität, Erreichbarkeit und Mobilität in Maastricht entschieden sich die beteiligten staatlichen Stellen – Gemeinde Maastricht, Provinz Limburg, der niederländische Staat über das staatliche Wasserwirtschaftsamt Rijkswaterstaat und die Gemeinde Meerssen – von Anfang an für ein gemeinsames Vorgehen. Sie fungierten gemeinsam als Auftraggeber für das Projekt A2 Maastricht, leisteten anteilsmäßig ihren Beitrag entsprechend ihren Möglichkeiten, teilten die Risiken und gründeten ein gemeinsames Projectbureau A2 Maastricht, das die Auftraggeberrolle in der Praxis mit einem großen Mandat erfüllte. Die Aufgabe wurde als integrales Konzept aufgegriffen. Die Untertunnelung der A2 wurde als Projekt gesehen, das mehreren Zwecken dient. Dazu gehören die Verlagerung des Autoverkehrs in einen unterirdischen Tunnel (mit einer Länge von ca. 2 km), die Entwicklung eines attraktiven Wohn- und Aufenthaltsgebiets oberhalb des Tunnels, die Verbesserung des 6 km langen gesamten Verkehrssystems in und um Maastricht, u. a. durch die Verbindung der zwei Autobahnen A2 und A79 bei Meerssen, die Realisierung einer besseren Erreichbarkeit des Gewerbegebiets Beatrixhaven in Maastricht sowie die Schaffung neuer Möglichkeiten für die Umgebung der Tunneltrasse. Es ist also eine Vorgehensweise, bei der die Gebietsentwicklung insgesamt und Möglichkeiten für die Umgebung Hand in Hand gingen. Ein integraler Ansatz, der auf internationaler Ebene auch bei den Projekten Madrid Rio, Paris Rive Gauche und Big Dig (Boston) angewandt wurde. 

Innovativer Prozess

Auch die Gestaltung des Prozesses war innovativ. Die Auftraggeber verflochten die gesetzlichen Verfahren, um Zeit zu gewinnen (Trassenverfahren [Tracéprocedure] nach staatlichen Vorschriften, Flächennutzungspläne der Gemeinde und die Auswahl der Marktparteien durch Ausschreibung). In der Ausschreibung stellten sie die Marktparteien vor die Herausforderung, den besten Plan vorzulegen, und zwar in einem „wettbewerbsorientierten Dialog“. Die Auswahlkriterien waren klar beschrieben, wobei jedoch nichts detailliert festgelegt war. Es wurde eine Konstruktion nach dem Prinzip Design & Construct gewählt: Der Auftragnehmer übernimmt den Entwurf und die Umsetzung. Die Marktparteien erhielten dadurch die Möglichkeit, eigene Lösungen zu präsentieren. Der Betrag, den sie für das Projekt erhielten, stand schon vorher fest. Es wurde allerdings eine Auswahl nach Qualitätsgesichtspunkten getroffen. Für die Erstellung und Umsetzung des integralen Plans für die Gebietsentwicklung und Infrastruktur erhielt die gewinnende Marktpartei nicht nur eine vorher festgelegte finanzielle Vergütung, sondern auch die Möglichkeit, oberhalb des Tunnels ein Immobilienprogramm mit u. a. ca. 900 Wohnungen zu entwickeln. Beim Projekt A2 Maastricht ging es somit um eine Gesamtinvestition von ca. 1,2 Mrd. Euro.

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Vereinfachte Darstellung des gesamten Verkehrssystems (6 km) für die A2 Maastricht zwischen den Knotenpunkten Kruisdonk und Europaplein. Der 2,3 km lange Tunnel gehört zu diesem System.

Grüner Läufer

Die innovative Ausschreibung mit Auftragsvergabe wurde Anfang 2009 von Avenue2 gewonnen, einem Konsortium der Bauunternehmen Strukton und Ballast Nedam. Sie schnitten am besten mit dem Plan „Der Grüne Läufer“ ab. Avenue2 entwarf einen Tunnel mit zwei Ebenen zur Trennung des Durchgangs- und Ortsverkehrs, zur unterirdischen Verlagerung von mehr Fahrzeugen und somit zur Schaffung von mehr Raum oberhalb des Tunnels für einen öffentlichen Raum und eine Wohnumgebung mit hoher Attraktivität. Durch die zweigeschossige Gestaltung des Tunnels wurde zudem eine schmalere Baugrube ermöglicht. Dadurch konnte die Autobahn durch Maastricht vorübergehend neben der Baugrube entlanggeführt werden, sodass der Durchfluss während der Arbeiten - eine wichtige Anforderung bei der Ausschreibung - gewährleistet blieb. Der zweite Aspekt des als Sieger ausgewählten Plans von Avenue2 war außer dem zweigeschossigen Tunnel der Grüne Läufer. Dies ist eine breite Fußgänger- und Radroute oberhalb des Tunnels, die die Stadt Maastricht an der Nordseite mit dem landschaftlich und kulturhistorisch wertvollen Landgut Geul & Maas verbindet, eine Sammlung von Landgütern und Burgen. Der Plan des Grünen Läufers erhöht damit auch die Freizeitmöglichkeiten der Einwohner von Maastricht. 

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Abbildung des zweigeschossigen Tunnels und des „Grünen Läufers“ (Groene Loper), aus dem Plan von Avenue2 (2009)

Freiwillige Beteiligungsverfahren

Sehr ungewöhnlich im Ausschreibungsverfahren war, dass die drei teilnehmenden Marktparteien ihre Pläne noch vor der definitiven Auswahl der Öffentlichkeit präsentierten. Jeder in Maastricht und Umgebung konnte zu den einzelnen Plänen Stellung nehmen. Außerdem fanden Beteiligungsverfahren mit Vertretern der angrenzenden Stadtteile und der Wirtschaft statt. Dabei kamen ca. 3.500 Stellungnahmen ein, zu denen das Projectbureau A2 Maastricht jeweils Stellung nahm, wie die Marktparteien damit verfahren sollten: übernehmen, ignorieren oder selbst entscheiden. Die freiwilligen Beteiligungsverfahren für die Öffentlichkeit, Stadtteile und Wirtschaft waren auf jeden Fall gewagt. Die Auftraggeber gingen damit das Risiko ein, dass die einheitlichen Wettbewerbsbedingungen der Ausschreibung gefährdet wurden. Durch eine straffe Betreuung der Beteiligungsverfahren kam es jedoch nicht dazu. Der Vorteil dieses Vorgehens lag darin, dass sich die Menschen in der Stadt Maastricht und Umgebung bereits in einem frühen Stadium des Prozesses in das Projekt A2 Maastricht einbezogen fühlten. 

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Im Rahmen einer zusätzlichen Beteiligungsrunde konnte jeder die Pläne der drei Marktparteien ansehen und darauf reagieren

Kommunikation

Diese Einbeziehung wurde in der Umsetzungsphase noch größer. Die Auftraggeber setzten stark auf eine Kommunikation mit der Umgebung. Ein bei solchen Projekten sehr unüblicher Schritt wurde Anfang 2012 gesetzt, als das Projectbureau A2 Maastricht und Avenue2 beschlossen, ihre Kommunikationsmittel zu bündeln und künftig nur noch als eine Partei zu kommunizieren. Er eröffnete den Weg zu einer noch viel intensiveren Kommunikation, bei der die Öffentlichkeit in vielfältiger Weise an der Geschichte zur A2 Maastricht einbezogen wurde. Interessenten sahen in wöchentlichen Filmen, was in der Baugrube geschah und wie die Arbeit voranschritt. Sie konnten in wöchentlichen Fortschrittsberichten per E-Mail und in Sonderbeilagen zu den Regionalzeitungen darüber lesen. Die Baustelle war jährlich an einem Wochenende für die Öffentlichkeit zugänglich und es wurden Präsentationen und Führungen erteilt. Insgesamt wurde diese Möglichkeit von 120.000 Menschen genutzt. Die anfängliche Angst vor dem großen Bauprojekt mitten in der Stadt schlug dadurch langsam in Bewunderung um. Die Bevölkerung nahm das Tunnelprojekt gut an. 

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Die am Bau Beteiligten berichteten in der wöchentlichen Informationsrubrik im Regionalfernsehen über die Arbeiten

Best for Project

Die gemeinsame Kommunikation passte in die Best for Project-Philosophie von A2 Maastricht. Der Auftraggeber Projectbureau A2 Maastricht und der Auftragnehmer Avenue2 arbeiteten von Anfang an sehr intensiv zusammen. Wöchentlich teilten die Geschäftsführung und das Management ihre Sorgen über das Projekt. Ausgangspunkt war, dass der Bau nicht stagnieren durfte, um unnötige Kosten für den Auftragnehmer zu vermeiden und die Unannehmlichkeiten für die Bevölkerung nicht unnötig zu vergrößern. Die Risiken wurden intensiv mitverfolgt und es gab klare Vereinbarungen über den Umgang mit zusätzlichen Arbeiten. Der Best for Project-Gedanke kommt in zahlreichen Aspekten der A2 Maastricht zum Ausdruck. Ein anschauliches Beispiel ist außer der gemeinsamen Kommunikation auch die Erteilung der Genehmigungen. Für die A2 Maastricht waren 640 Genehmigungen erforderlich. Durch ein strukturiertes Genehmigungsmanagement wurden sie reibungslos abgehandelt. Da die Umgebung möglichst gut in das Projekt einbezogen wurde, wurden keine Widersprüche eingereicht. 

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Vor der Anlegung des Tunnels wurde die Straße (N2) vorübergehend nach Westen verlegt © Reen van Beek

Erfolg und Premieren

Alle erwähnten Aspekte lagen einem erfolgreichen Projekt zugrunde. Der A2-Tunnel in Maastricht wurde am 16. Dezember 2016 in Betrieb genommen, genau an dem Datum, das Jahre vorher in den Vertrag mit Avenue2 aufgenommen wurde. Bei den öffentlichen Auftraggebern liegt keine Budgetüberschreitung vor. Der Durchfluss durch Maastricht auf der A2 war während der Arbeiten nicht schlechter als in der vorherigen Situation. Der Tunnel funktionierte nach der Eröffnung direkt gut. Beim Projekt A2 Maastricht gab es auch Premieren, etwa die Anwendung der Observational Method zur Überwachung der Vorgänge in der Baugrube während des Aushubs. Eine Präventivmaßnahme, da es keine Erfahrung mit dem Bau eines Tunnels im spezifischen Maastrichter Mergeluntergrund gab. Auch die Einrichtung des Ready to Operate-Teams, in dem die einzelnen an der Nutzung des Tunnels beteiligten Parteien schon weit vor der Eröffnung kooperierten, war eine Premiere. Eine weitere Premiere war die Hinzuziehung eines Verkehrspsychologen bei der Detaillierung der Straßenentwürfe. Auf dem Weg zum Erfolg gab es übrigens auch schwierige Situationen. So geriet das Projekt 2015 durch finanzielle Probleme bei den zwei Bauunternehmen von Avenue2 unter Druck. Später verliefen die Installation und Tests der verkehrs- und tunneltechnischen Anlagen schwierig. 

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Der zweigeschossige Tunnel mit allen Anschlussstraßen ist ein neues Konzept. Daher beurteilte eine Verkehrspsychologe den Entwurf der Straße aus der Perspektive und Wahrnehmung der Autofahrer. © Aron Nijs

Aufmerksamkeit für Menschen

Die A2 Maastricht ist auch ein Projekt, mit dem viele menschliche Geschichten verbunden sind. Trotz des großen Umfangs der Arbeiten gab es immer Aufmerksamkeit für Initiativen oder Sonderwünsche aus der Bevölkerung. So wurde dem Ronald McDonald-Haus in Maastricht die Gelegenheit geboten, im Tunnel ein Abendessen für Sponsoren zu veranstalten. Der Pastor der Kirche an der Tunneltrasse führte Barbara als Schutzpatronin der Bauarbeiter ein. Wenn in der Kirche eine Beerdigung oder eine Hochzeit stattfand, wurden die Maschinen kurz stillgelegt. Es gab Baugrubenbeobachter, häufig pensionierte Bürger, die das Projekt aus der Nähe mitverfolgten und dafür von der Projektorganisation hinreichend Gelegenheit erhielten. Es gab auch kranke Menschen, die die Inbetriebnahme des Tunnels nicht schaffen würden. Sie wurden auf Wunsch durch den Tunnel gefahren. 

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Fundraising-Dinner im Tunnel für zwei lokale Ronald McDonald-Häuser

Inspiration

Mit der Übergabe des öffentlichen Gebiets im Frühjahr 2018 ist das Projekt A2 Maastricht noch nicht abgeschlossen. In den nächsten Jahren werden am Grünen Läufer nachhaltige neue Wohnungen gebaut. Es wurde intensiv an der Nutzung der Chancen gearbeitet, die der Grüne Läufer für die Umgebung bietet. Die vier Auftraggeber arbeiten weiterhin im Projectbureau A2 Maastricht zusammen, sodass das integrale Konzept auch in Zukunft gewahrt bleibt. Im Rückblick ist die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass das Projekt A2 Maastricht in mehrerlei Hinsicht eine Inspirationsquelle für vergleichbare Projekte in den Niederlanden und außerhalb ist, sowohl aufgrund des innovativen Konzepts als auch der intensiven Zusammenarbeit aus dem Best for Project-Gedanken heraus. Ein bedeutender Problempunkt im niederländischen Autobahnnetz ist behoben, die Stadt Maastricht wieder vereint und die Beziehung zur grünen Umgebung verstärkt. Es herrscht ein Gefühl von Stolz in der Stadt und Region, ein ganzes Verkehrssystem wurde verbessert und es gibt neue Möglichkeiten für die Bewohner angrenzender Stadtteile. Das Projekt A2 Maastricht führte zu einem Ergebnis, das wahrscheinlich nur wenige vorher für möglich gehalten hatten.

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Oberhalb des Tunnels entsteht ein neuer grüner Teil der Stadt © Fred Berghmans
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